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Der französische Komponist Erik Satie hatte schon mehr als vierzig Jahre vor Paik ein ähnliche kritisches Szenario entworfen. In berühmt gewordenen Pamphleten schlug er eine hochgradig funktionale Musik vor, die peinliche Konversationspausen beim Abendessen füllen oder unangenehme Nebengeräusche überdecken sollte. Satie kritisierte, dass Kaufhausmusiken, die damals noch live von Musikern gespielt wurden, simplifizierte Bearbeitungen von Konzertmusik waren. In einem Brief vom März 1920 knüpfte er an das musikalische Klima seines Klavierstücks »Vexations« (1893) an, das 840 Wiederholungen zweier Notenzeilen vorsieht. »Wir nun wollen eine Musik einführen, die die ›nützlichen‹ Bedürfnisse befriedigt. Die Kunst gehört nicht zu diesen Bedürfnissen. Die ›Musique d'ameublement‹ erzeugt Schwingungen; sie hat kein weiteres Ziel; sie erfüllt die gleiche Rolle wie das Licht, die Wärme – & der Komfort in jeder Form.«[26] Am 8. März 1920 verwendete Satie in der Pariser Galerie Barbazanges für solche ›Musique d'ameublement‹ Fragmente aus Stücken von Ambroise Thomas und Camille Saint-Saëns. Nach einem Bericht von Darius Milhaud ging das Experiment schief: Satie konnte die Besucher nicht davon abbringen, der Musik zuzuhören.[27]
Auf Saties Experimente, aber auch auf Cage und Paik beziehen sich zwei zentrale Konzepte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Klanginstallation und Ambient Music. Die Klanginstallation, Ende der 1960er Jahre von Max Neuhaus, Maryanne Amacher und anderen entwickelt, verfolgt unter anderem zwei von Satie hervorgehobene Ziele: erstens nicht einfach eine für Darbietungssituationen konzipierte Musik an beiläufige Rezeptionsformen anzupassen, sondern klangliche Raumgestaltung von Grund auf als Integration in einen spezifischen Ort zu denken; zweitens die Aufmerksamkeit der Hörer nicht zu okkupieren, sondern Spielraum dafür zu lassen, welche Art von Aufmerksamkeit der Klanggestaltung gegeben wird. 1975 übertrug Brian Eno, Grenzgänger zwischen Kunst- und Popmusik, diese Avantgardetechniken auf Format und Klangästhetik der Popschallplatte und prägte dafür den Genrebegriff ›Ambient Music‹. In den 1990er Jahren erhielt Enos Idee mit dem elektronischen ›Ambient‹ - Stil viele Nachfolger, unter anderem von The Orb und Aphex Twin.[28]