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Études aux chemins de fer (Schaeffer, Pierre), 1948Berlin Mix (Marclay, Christian), 1993
 
 
 

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Gestaltungstechniken ableitet. Die Musique concrète nimmt schon in Schaeffers erstem Stück von 1948, der »Étude aux chemins de fer«[18], die späteren DJ-Techniken des Cuttings, Cueings und ansatzweise des Scratchings vorweg.

Sound

Die Popmusik erhält auch durch die Einführung des Tonbandgeräts entscheidende Impulse. Durch das Playback-Verfahren, bei dem die Instrumente eines Musikstückes nacheinander aufgenommen werden, wird die Reproduktion zur primären Instanz von Musik. Auch Live-Auftritte müssen nun wie die Platte klingen. Weil immer aufwändigere Studiotechnologie zum Einsatz kommt, zählt das ›Lied‹ im Sinne einer bestimmten Melodie und Harmoniefolge immer weniger. Stattdessen wird der ›Sound‹ zum zentralen Kriterium von Musikstilen.[19] Das beginnt mit Cover-Versionen, zum Beispiel Jimi Hendrix' Version der amerikanischen Nationalhymne, gespielt auf rückkoppelnder E-Gitarre. Eine neue Ebene erreicht die Bedeutung des Sounds mit den Zitattechniken im DJ-Mix dann mit der

 

Verbreitung des digitalen Samplings in den 1990er Jahren. Nun wird nicht mehr nur ein Song, sondern der Sound selbst zitiert. Wenn John Oswald Beethoven und Michael Jackson mit denselben Mitteln rekomponiert, dann zählt primär die Bearbeitungstechnik – Melodie, Harmonie, formale Anlage oder Liedtext sind nur der Anlass für eine Sound-Realisierung.[20] Der Sound ist die Musik.

Christian Marclay, der als bildender Künstler und Art-DJ die Tonträgergeschichte thematisiert, collagierte 1993 im »Berlin Mix« Musiken verschiedener stilistischer und geografischer Herkunft. Ungewöhnlich war daran, dass er gerade keine technischen Medien benutzte, sondern die Originalschallquellen in der Halle versammelte und mit Pappschildern dirigierte. Der gewohnte eklektizistische Umgang mit Samples wirkte unter der physischen Präsenz von mehr als 180 Musikern absurd. Marclays Aktion zeigte, dass Musik mehr als Sound sein kann und wie sehr wir uns daran gewöhnt haben, bei der Medienrezeption nur mit einem Bruchteil ihrer Substanz auszukommen.[21]

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