Hinweis: Wenn Sie diesen Text sehen, benutzen Sie einen Browser, der nicht die gängigen Web-Standards unterstützt. Deshalb wird das Design von Medien Kunst Netz nicht korrekt dargestellt. Die Inhalte selbst sind dennoch abrufbar. Für größtmöglichen Komfort und volle Funktionalität verwenden Sie bitte die empfohlenen Browser.

Themenicon: navigation pathKunst und Kinematografieicon: navigation pathMarker
 
M; Eine Stadt sucht einen Mörder (Lang, Fritz), 1931
 
 
 

icon: previous page

Sichtbarkeit entzogenen oder in ihrer Reinheit als Stimme ertönenden Vokalität nennt Chion akusmatisch (»présence acousmatique«), wobei er sich auf die Akusmatiker als Sekte der Pythagoräer bezieht: Für sie verband sich der Akt der höchsten Offenbarung von Wahrheit damit, dass der sprechende Priester hinter einer Zeltbahn verborgen blieb Modell für ein gewisses Divan-Setting unserer Tage, bei dem ebenfalls die Instanz der Wahrheit dem Blick des Betroffenen entzogen bleibt.[15] Wobei nur am Rande vermerkt sei, dass auch Chris Marker immer wieder gern als ein später Repräsentant der Schule des Pythagoras gesehen wird. Die Frage, die sich bei der Filmanalyse folglich stellt, betrifft nicht allein das Verhältnis von Ton und Bild, sondern ob die Quelle der Stimme gesehen wird oder nicht d. h. der Stimme als allmächtiger, allwissender, allgegenwärtiger Instanz, die alles sieht bzw. weiß. In der Entwicklung des Kinos zeigt sich Chion zufolge eine Doppelstrategie zwischen »voix acousmatique«, der »unsichtbaren Stimme«, und »écoute visualisée«, der an eine Quelle des Tons, einen sprechenden Körper zurückgebundenen Stimme. Chion unterscheidet gewissermaßen zwei Typen von

 

Filmen, solche, die vom Bildmaterial ausgehend den Ton als beigeordnet behandelt, und solche (vorwiegend auf Geheimnis- und Spannungsmomente ausgerichtet), die mit akusmatischen Effekten der Stimme beginnen und diese folglich erst durch eine nachträgliche »désacousmatisation« einem Sprecher bzw. einer Inkarnation ihres Ursprungs zuweisen.[16] Im ursprünglichen Sinne »acousmatique« sind also nur die Stimmen, die unsichtbar bleiben. Das, was Chion ein echtes »acousmêtre«, nennt, d. h. ein akusmatisches Seiendes oder Wesen (»être acousmatique«), liegt nur vor, wo die Stimme sich jeglicher Inkarnation entzieht, wo sie auch nicht meßbar, kalkulierbar ist (also nicht mit einer Akusmetrie zu verwechseln ist), bzw. wo sie im Gegensatz zur visuellen Identifikation bleibt. Es handelt sich also immer auch um einen gewissen Unheimlichkeits-Effekt, und als Paradebeispiel wird immer wieder Fritz Langs »M - Eine Stadt sucht einen Mörder« angeführt, wo zuerst nur der Schatten des Kindermörders auf der Litfasssäule mit dem Fahndungsplakat sichtbar wird und die Stimme aus dem Off sich an das kleine Mädchen richtet. Paradigmatisch vollzieht sich hier die Erschütterung des visuellen

icon: next page