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Bill Viola »The Greeting«
Bill Viola, »The Greeting«, 1995
Fotografie | Fotograf: Kira Perov | © Bill Viola
 


 Bill Viola
»The Greeting«

»The Greeting« (»Die Begrüßung«) greift auf die kunsthistorischen Wurzeln zurück. Insbesondere das gleichnamige Werk des italienischen Manieristen Jacopo da Pontormo, das zwischen 1528–29 entstand, diente ihm zur Vorlage. Viola stellt mit den modernen technischen Mitteln das Werk nach, kommentiert somit sowohl die Heilsgeschichte als auch die malerische Tradition. Während der italienische Meister in seinem Bild bestrebt ist, genau den Moment einzufangen, da Maria und Elisabeth sich in geistiger Versenkung am nächsten sind, der Betrachter den stummen Dialog erahnt, verfügt Viola dank der Videotechnik über die Möglichkeit das Gemälde in der Zeit zu entfalten. Zur Raffinesse des Werks von Viola gehört es allerdings, keine simple Nacherzählung anzufertigen, sondern er kontakariert sein eigenes Medium, indem er dem Video die Geschwindigkeit entzieht, indem er die reale Spielzeit des Films von 55 Sekunden auf 10 Minuten ausdehnt. Dadurch entsteht der irritierende Effekt eines sich langsam, unmerklich bewegenden Bildes. Es ist, als ob das Altarretabel aus einer inneren Dynamik heraus erwachse.
Die befremdende Wirkung wird durch die stilistischen Anleihen Violas an das Tableau Pontormos befördert. So behält der Videokünstler weitgehend die farbliche Gestaltung bei, erschafft eine Hintergrundkulisse, die an die strenge Architektur der Renaissance erinnert und kleidet die Protagonistinnen in leichte, duftige Stoffe und antikische Sandalen. Aber inhaltlich weicht Viola nicht unwesentlich von der Altartafel ab. Der italienische Maler platzierte zwei Frauen mit traurigen Gesichtern im Hintergrund des Geschehens. Zwei Personen, die weder gesegnet waren, noch auf Grund ihrer Entfernung an dem feierlichen Akt teilnehmen konnten. Viola ersetzt die Vierer-Komposition durch eine Konstellation zu dritt, die nicht simultan stattfindet, sondern dem Verlauf seiner Geschichte folgt. Zunächst treffen eine ältere Frau, im Halbprofil am linken Bildrand zu sehen, und ihre jüngere, blonde, blau gekleidete Freundin aufeinander. Sie begrüßen sich freudig, nehmen sich in den Arm. Allein die für Maria typischen Accessoirs wie das blaue Gewandt, das Alter, die Haarfarbe erwecken zunächst den Eindruck diese Sequenz stelle den Haupteil des »Tableau vivant« dar, erst nach einigen Minuten tritt eine dritte Person von rechts auf. Sie trägt ein rotes Kleid, kurze, dunkle Haare. Während die mittlere Frau sich unentschlossen verhält, beugt sich Elisabeth der Ankommenden entgegen, begrüßt sie herzlich und innig. Sehr viel eindringlicher als bei Jacopo da Pontormo rückt Viola das Ungleichsein im Moment der Gleichzeitigkeit in den Bildmittelpunkt.

»The Greeting« beinhaltet zwei wesentliche Aspekte des Schaffens von Bill Viola. Einerseits erkundet er intensiv das Phänomen Zeit als eine mechanisch abmeßbare, physikalisch begründete Maßeinheit, andererseits thematisiert er Zeit als die Spanne zwischen Leben und Tod, als Existenz-Zeit des menschlichen Lebens, die nicht mit der wissenschaftlich fundierten Zeit übereinzustimmen scheint. »Diese Beziehung zwischen Unendlichkeit, Aktualität oder Begrenztheit des Lebens ist ein wichtiger Bestandteil unserer Existenz«, sagt der Künstler, der neben seinen Tätigkeiten als Musiker und Bildender Künstler sein Werk immer auch theoretisch-reflexiv begleitete.

(Quelle: Barbara Könches für »seeing time«, http://on1.zkm.de/kramlich/viola)