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Louis-Bertrand Castel »Augenklavier« | L´Optique des Couleurs
Louis-Bertrand Castel, »Augenklavier«
L´Optique des Couleurs
Paris 1740 // erschien 1747 auch in deutscher Übersetzung in Halle als: Die auf lauter Erfahrung gegründetet Farben-Optik
 


 
 

Schlagworte: Apparat | Musik

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Frankreich
 

 Louis-Bertrand Castel
»Augenklavier«

Das Augenklavier wird in fast allen Publikationen zur Geschichte der Bild-Ton-Relation als Vorläufer genannt. Von Castel gibt es dazu lediglich eine Reihe von Texten, teils mit genauen Funktionsbeschreibungen, aus den Jahren 1725 bis 1740 (siehe Literaturliste). Hier entwickelt er eine Theorie zum physikalischen Zusammenhang von Bild und Ton mit der er sich von seinem Zeitgenossen Isaac Netwon absetzt und die älteren Ideen von Athanasius Kircher wieder belebt. Es gibt jedoch keinen Nachweis dafür, dass Castel diesen Apparat jemals gebaut hat, geschweige denn das er funktionierte. Als Reaktion auf die Kritik seiner Zeitgenossen streitet er schliesslich sogar energisch ab, je die Absicht zum Bau des Apparates gehabt zu haben, er sei eben »Architekt« und nicht »Zimmermann«, solle ihn doch bauen wer will.

Noch verwirrender wird die Geschichte dieser ›virtuellen‹ Maschine durch die zeitgenössische Diskussion, an der sich grosse Geister beteiligen, aber deren literarische Form ebenfalls den Eindruck erweckt, es würde Castels Apparat geben. Beispielsweise veröffentlicht der deutsche Komponist Georg Philipp Telemann 1739 einen anonyme Augenzeugenbericht »der Augenorgel oder des Augen-Clavicimbels«. Der Enzyklopädist Diderot besucht 1751 Castel in Begleitung eines Taubstummen, um zu erproben, ob dieser durch seine Augen erstmals in seinem Leben Musik erfahren kann. Doch der Besuch endet offenbar ebenso enttäuschend wie der von Jean-Jacques Rousseau welcher schreibt: »Diese Mann ist verrückt, aber ansonsten ein guter Mensch. Er scheint mir einer jener originellen Geister zu sein, die man eher dazu ermutigen sollte, das auszuarbeiten was sie entdecken, statt sie zu neuen Entdeckungen zu ermutigen.« Damit ist Castel der Vorläufer all jener manischen Bastler-Erfinder, die sich im 19. und 20. Jahrhundert an Farborgeln und ähnlichen Instrumenten abgearbeitet haben.


Zitat O-Ton: »Cet homme est fou, mais bon homme au demeurant. Il me paraît de ces esprits originaux dont il est plus à propos d'encourager à démontrer de qu'ils découvrent, que les encourager à faire de nouvelles découvertes. »

Weiterführende Literatur:
Jean-Marc Warszawski, Le Clavecin oculaire du père Louis-Bertrand Castel. In: Michel Costantini, Jacques Le Rider, François Soulages, Hg., La couleur Réfléchie, Séminaire à l'Université Paris VIII, mai 1999, Paris 2001(L'Harmattan)

Joachim Gessinger, Visible sounds and audible colours: The ocular harpsichord of Louis-Bertrand Castel. In: Beate Allert Hg. Languages of visuality. Crossings between Science, Art, Politics, and Literature, Detroit 1996 (Wayne State University Press) (= Kritik. German Literary Theory and Cultural Studies), S. 49–72

Claude Lévi-Strauss, Sehen Hören Lesen, München /Wien 1995, S. 121–123

 

Dieter Daniels